Hilfe im Leben

50 Jahre Schwangerschafts- & Sexualberatung der Stadtmission Nürnberg

Ungewollte Schwangerschaft, unerfüllter Kinderwunsch, Fragen zu Verhütung oder sexuelle Probleme in der Partnerschaft: Die Schwangerschafts- und Sexualberatung der Stadtmission Nürnberg steht Frauen, Männern und Familien bei allen Fragen rund um Schwangerschaft, Geburt und Sexualität kompetent zur Seite – und das schon seit 50 Jahren. Auch wenn sich die Gesellschaft seitdem gewandelt hat, seien viele Nöte gleichgeblieben, bilanziert Einrichtungsleiterin Elisabeth Mitterer anlässlich des 50-jährigen Jubiläums.

Diese Titel-Story schlug Wellen: Am 6. Juni 1971 bekannten 374 Frauen im Magazin Stern: „Wir haben abgetrieben!" Nicht zuletzt diese Kampagne bewirkte ein Umdenken im Umgang mit dem Tabu Schwangerschaftsabbruch. In diese aufgewühlte Zeit fiel die Gründung der „Sexual- und Schwangerschaftsberatungsstelle“ der Stadtmission Nürnberg: Sie ging am 1.4.1975 an den Start – als eine von acht Modellberatungsstellen des Bundes in Bayern.

Ein völliges Novum: Sexualberatung und -pädagogik

Doch nicht nur ungewollt Schwangere finden in der neuen Beratungsstelle seit der ersten Stunde Hilfe. Der Aufgabenbereich ist von Anfang an weit gefasst: Zur Konfliktberatung bei ungewollter Schwangerschaft kommt die allgemeine Schwangerschaftsberatung. Die Mitarbeitenden vermitteln außerdem (finanzielle) Hilfen – und was völlig neu ist: Als eine der ersten Einrichtungen bietet die der Stadtmission Nürnberg auch allgemeine Sexualberatung an.

Aus dem Modellprojekt von damals ist längst eine Institution in der Nürnberger Beratungslandschaft geworden. „Und doch hat sich in all den Jahrzehnten nicht wirklich viel verändert. Die Nöte insbesondere der Frauen, die ungewollt schwanger sind, sind geblieben“, schildert Einrichtungsleiterin Mitterer.

„Keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht“

Streit in der Partnerschaft, existenzbedrohende Geldsorgen oder Furcht vor der Zukunft treiben ungewollt schwangere Frauen in die Beratungsstelle. Aktuell sehen Mitterer und ihr Team auch mehr Frauen, die angesichts des Kriegs in der Ukraine und der politischen Entwicklungen Angst haben, ein Kind in die Welt zu setzen. „Es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür, weshalb Frauen über einen Abbruch nachdenken. Keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht.“

Gemeinsam mit den Frauen suchen die Mitarbeitenden vorurteilsfrei und wertschätzend nach der individuell besten Lösung. Für die Betroffenen wünscht sich Einrichtungsleiterin Mitterer, dass § 218 StGB endlich reformiert wird und Abbrüche bis zum Ende der 12. Schwangerschafts-woche straffrei werden. Sie fordert insgesamt eine kinder- und familienfreundlichere Politik, die bei bezahlbarem Wohnraum anfängt und guten Bildungschancen aufhört. Mitterer: „Familienfreundliche Rahmenbedingungen – das ist effektiver Lebensschutz.“

Vorstand: „Professionelle und empathische Begleitung“

Die Stadtmission Nürnberg deckt mit ihren unterschiedlichen Beratungsangeboten nahezu alle Lebensbereiche hilfesuchender Menschen ab. „Die Zeit rund um Schwangerschaft und Geburt ist eine besonders sensible Phase, insbesondere für Frauen natürlich, die ganz existenzielle Fragen aufwerfen kann“, sagt Kai Stähler, Vorstandsvorsitzender der Stadtmission Nürnberg. „Gerade in dieser Phase benötigen Betroffene eine professionelle und empathische Begleitung. Aber auch bei allen anderen Fragen rund um Sexualität oder Familienplanung unterstützt das Team der Beratungsstelle Ratsuchende mit großer Fachkompetenz. Dafür danke ich den Mitarbeitenden sehr.“

Über 1600 Beratungsgespräche im vergangenen Jahr

Der Bedarf ist groß: Allein im vergangenen Jahr wurden bei der Schwangerschafts- und Sexualberatung mehr als 1600 Beratungsgespräche zu den unterschiedlichsten Fragen geführt. Mitterer und ihr Team korrigieren dabei auch medial vermittelte Klischees von immerfort strahlenden Schwangeren und glücklichen Müttern, die mühelos Kind und Karriere wuppen. Sie beraten bei Schreibabys oder Babys, die nicht schlafen wollen. Sie kümmern sich um Frauen mit traumatischen Geburtserlebnissen oder um Frauen, die ihr Baby gar verloren haben. Sie beraten auch bei unerfülltem Kinderwunsch.

Sexualpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche

Eine weitere Säule der Arbeit bildet die allgemeine Sexualberatung. Außerdem geht das fünfköpfige Team in weiterführende Schulen und erreicht dort Kinder und Jugendliche mit seinen sexualpädagogischen Angeboten. „Die Nachfrage ist so viel höher als das, was wir abdecken können“, sagt Mitterer. „Dabei wäre es wichtig, die Präventionsarbeit an Schulen auszubauen.“ Denn ein verantwortungsvoller Umgang mit Sexualität ist gleichzeitig auch Prävention vor (sexuellem) Missbrauch und ungewollten Schwangerschaften.

Die Arbeit der Beratungsstelle wird mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, der Stadt Nürnberg und der Diakonie Bayern sowie Eigenmitteln finanziert.

Grußwort der Frauenbeauftragten Hedwig Schouten

Das Jubiläum wurde am Dienstag, 1.4.2025, mit einem Festakt im Beratungszentrum Christine-Kreller-Haus gefeiert. Hedwig Schouten, Frauenbeauftragte der Stadt Nürnberg, betonte in einem Grußwort: „Die Schwangerenberatungsstelle der Stadtmission Nürnberg ist für mich, als Frauenbeauftragte der Stadt Nürnberg, eine ganz wichtige Partnerin. Sie unterstützt Frauen bei schwierigen Entscheidungen rund um Schwangerschaft, Familie und Sexualität. Sie bietet Raum, um ohne Vorurteile über persönliche, sensible Themen sprechen zu können. Und nimmt auch gezielt sozial benachteiligte Personengruppen wie Alleinerziehende, Frauen mit Zuwanderungsgeschichte oder Menschen unter der Armutsgrenze in den Blick.“ Und Schouten weiter: „Für ungewollt Schwangere, vor allem im ländlichen Raum in Bayern, gibt es erhebliche Hürden, um einen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten. Die Zahl der Praxen, die dies anbieten, nimmt seit Jahren ab. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Einrichtungen wie die Schwangeren-beratungsstelle der Stadtmission Nürnberg Frauen, die ungewollt schwanger sind, beistehen und die für den Abbruch erforderliche Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten.“

Die Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen und Sexualberatung ist auf vielen Kanälen zu erreichen:

Auf unserer Webseite: Schwangerschafts- und Sexualberatung 
Instagram: www.instagram.com/schwangersexberatung/

Alle Beratungsleistungen sind kostenfrei, auf Wunsch anonym und in verschiedenen Sprachen verfügbar.