Kommunalwahl 2020: Kirchen fragen - Politiker antworten

Mehr Grün, mehr bezahlbarer Wohnraum, ein günstiger, besser ausgebauter öffentlicher Nahverkehr – bei vielen Schlagworten sind sich die Nürnberger Oberbrügermeisterkandidaten*innen von SPD, GRÜNEN und CSU einig. Auf der Suche nach den Zwischentönen, den Unterschieden in Haltung und Lösungsansätzen luden gestern die Nürnberger Kirchen Thorsten Brehm, Verena Osgyan und Marcus König zur Diskussion.

NÜRNBERG. Man könne bald eine WG aufmachen, scherzte Thorsten Brehm, als er am Mittwochabend, 19. Februar 2020, im Caritas-Pirckheimer-Haus eintraf. In den letzten drei Wochen habe er nahezu jeden Abend mit seinen Konkurrenten*innen Marcus König (CSU) und Verena Osgyan (GRÜNE) verbracht. »Wir haben in diesem Wahlkampf inzwischen an die hundert Bürgerveranstaltungen miteinander bestritten«, schätzte auch Verena Osgyan. Entsprechend rhetorisch trainiert präsentierten sich die drei Spitzenkandidaten*innen  bei »Kirchen fragen – Politiker antworten« ihrem Publikum. Mit etwa 300 Zuhörern*innen war der Saal an diesem Abend bis zum letzten Stehplatz besetzt – ein gutes Zeichen, meinte Brehm: »Die Kirchen können mobilisieren.«

»Kirchen als Sparringpartner für die Politik«

Später gefragt, was Glaube und Kirche ihm für Nürnberg bedeuten, kommentierte der Nürnberger SPD-Chef. »Die Kirchen und Gemeinden sind entscheidend wenn es darum geht, den Interessenausgleich zwischen den Menschen zu organisieren. Genauso wie Parteien und andere Gemeinschaften. Die Bindung wird schwächer, man kämpft für sich, mit den Ellbogen, es zählt, wer der lauteste ist«: Er wünsche sich starke Kirchen für Nürnberg, die sich ins Politische einmischen. Als »schwach« erlebe sie die Kirchen  keineswegs, setzte Verena Osgyan dagegen. Die Katholische und die Evangelische Kirche seien wie auch alle anderen Religionsgemeinschaften »Sparringpartner für die Politik«. »Wir müssen keine Angst haben vor Religion. Wir leben in einem säkularen, nicht in einem laizistischen Staat. Wir wollen, dass sich die unterschiedlichen Sphären und Wertegemeinschaften durchdringen.« Ähnlich sah es Marcus König: »Ich sehe es als Chance und nicht als Risiko, dass wir eine religiös und kulturell vielfältige Stadt sind«. Gleichzeitig gab der CSU-Spitzenkandidat zu Bedenken: »Erst mit dem Austausch kommt das Verständnis.«

»Einsamkeit eines der meist unterschätzten Probleme unserer Stadt«

Nicht überraschend: Auch zur Frage des sozialen Zusammenhaltes in Nürnberg und, ganz konkret, zur Wohnungsfrage, mussten die potentiellen neuen Stadtoberhäupter Stellung beziehen. Stadtdekan, Dr. Jürgen Körnlein, der das Podium am Mittwochabend gemeinsam mit Dr. Siegfried Grillmeyer, Direktor des Caritas-Pirckheimer-Hauses, moderierte, hakte nach: »Welche Hebel sind noch nicht getätigt? Wie verhindern wir, dass ohnehin benachteiligte Gruppen wie Einkommensschwache, Menschen mit Suchterkrankungen, gebrochenen Erwerbsbiografien usw. auch noch gegeneinander antreten müssen?«. Marcus König sieht in den ungenutzten Gebäuden der Stadt großes Potential für die Lösung des Wohnungsnotstandes: »Leerstand ist das schlechteste, darunter leiden alle.« Brehm dagegen hält die vielerorts verfehlte Flächennutzung für problematisch: »Überlegen Sie nur mal, wie viele ebenerdige Discounterhütten mit riesigen Parkplätzen davor wir haben.« Das könne in einer wachsenden Stadt nicht so bleiben. »Aufstocken« sei dabei nur eine Möglichkeit der Weiterentwicklung. Und mit Blick auf die Quartiersentwicklung proklamierte Brehm: »Die Gemeinwohlorientierten müssen zuerst zum Zug kommen.« Gegen die Stimmen der CSU im Stadtrat habe die SPD eine verpflichtende Sozialbindungsquote für neue Wohnbauten ab 30 Einheiten beschlossen. »Die CSU wollte das erst ab 100 Einheiten.«

Geht es nur um Einkommen und Status bei der Frage, ob es sich gut leben lässt in Nürnberg? Nein, meinte Brehm. Neben dem Mangel an Geld sei der »Mangel an Kontakten« für viel zu viele Nürnberger eines der größten Probleme. Das sei ein Armutszeugnis, so Brehm, und schlug vor in der kommenden Legislaturperiode »ein Jahr der Nachbarschaft« zu initiieren. »Netzwerke schaffen gegen die Einsamkeit« will auch Verena Osgyan. Gerade mit Blick auf benachteiligte Kinder und Jugendliche – in Nürnberg ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen – brauche es mehr gut entwickelte, und geförderte Quartiersplätze, Treffpunkte, Jugendzentren, wo Kinder sich entfalten könnten. König hingegen nahm die  Seniorennetzwerke in den Blick: »Ich will die Seniorennetzwerke zu Generationennetzwerken ausbauen, auch mit Hauptamtlichen. Wir haben ja nicht nur Leute, die Hilfe brauchen, sondern ganz ganz viele, die helfen wollen. Das müssen wir zusammenbringen.«

»Die Mitte hat die Mehrheit«: Abgrenzen gegen Rechts

Wenn doch alle um Zusammenhalt bemüht seien, warum habe gerade dann die CSU in jüngster Zeit mit Parolen zum »Asyltourismus« das Klima vergiftet oder den ehemaligen Verfassungsschutzchef Maaßen nach Langwasser eingeladen, konterten einige Publikumsgäste im CPH. »Seehofers Rhetorik ist nicht meine«, erklärte Marcus König dazu und auch den Maaßen-Besuch habe er kritisch gesehen.  Und nachdem, was sich zuletzt in Thüringen abgespielt habe, sei es ihm umso wichtiger klarzustellen: »Die Rechten dürfen bei uns nie das Zünglein an der Waage sein.«

Die Veranstaltung »Kirchen fragen – Politiker antworten« am 19. Februar wurde gemeinsam von der Katholischen und Evangelischen Kirche in Nürnberg, zu der auch die Stadtmission Nürnberg gehört, organisiert und vorbereitet. Ziel war es, zur Stärkung politischer Teilhabe und zur Mobilisierung aller demokratischen Kräfte in der Stadt beizutragen.

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg