Sozialpolitischer Buß- und Bettag: Arm dran in einem reichen Land

Mit welcher Haltung, welchen Maßnahmen politische Akteure der sich verfestigenden Armut in unserem Land begegnen, zeigte sich am gestrigen Abend in der Nürnberger St. Peterskirche.

NÜRNBERG.    Wer bei der Diskussion um die Armutsproblematik in unserem Land lediglich über Geldbeträge streitet, wird der Sache nicht gerecht. Zumindest darüber herrschte unter den Podiumsgästen beim gestrigen Sozialpolitischen Buß- und Bettag in Nürnberg Einigkeit. Vor etwa 150 Besucherinnen und Besuchern diskutierten dort Prof. Dr. Sabine Pfeiffer von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg, Michael Höhenberger, Amtschef im Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales sowie Reiner Prölß, Referent für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Nürnberg. Moderiert wurde der Abend von der Journalistin Birgit Haprath.

Michael Höhenberger, am gestrigen Abend Vertreter des Staatsministerin Kerstin Schreyer, konstatierte »das wichtigste Mittel gegen die Armut ist Arbeit«. In diesem Sinne würdigte er die Hartz IV-Reformen, weil sie »die Arbeitslosigkeit im Land halbiert« hätten. Dagegen konterte die Soziologin Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, dass erst mit den Hartz-Reformen die Voraussetzungen für einen Arbeitsmarkt geschaffen wurden, der tausendfach Erwerbsarme produziere und binde. In den letzten zehn Jahren hätte sich die Zahl der erwerbsarmen Menschen demnach verdoppelt. Insofern gehe die einfache Rechnung, mehr Arbeit gleich weniger Armut nicht auf. Aber nicht nur im Niedriglohnsektor auch in besser qualifizierten Stellen würden Menschen so hart und produktiv wie nie arbeiten, sagte Pfeiffer. Diese Mehrbelastung werde über die Reallöhne der Menschen aber nicht honoriert.

Da wir in Deutschland nicht nur in einer Arbeits-, sondern ebenso in einer Konsumgesellschaft lebten, bedeute die Einkommensarmut, dass Menschen in mehrfacher Hinsicht von Teilhabe ausgeschlossen seien. Pfeiffer gab dafür ein Beispiel: »Der Coffee to go ist Teil unserer Sozialisation geworden, auch das Essen außer Haus. Wenn ich aber nicht mit ins Bistro gehen kann, bin ich raus aus diesem gesellschaftlichen Umfeld.«

 

Armutsfolgen lindern

Von dem, was an Mehr in den vergangenen Jahren in Deutschland volkswirtschaftlich erwirtschaftet worden sei, komme erschreckend wenig in sozialer und öffentlicher Infrastruktur an, erklärte gestern Sabine Pfeiffer. Sie verwies damit auch auf eine wesentliche politische Stellschraube zur Reduzierung von armutsbedingten Teilhabebarrieren: »Gut ausgebaute Regelschulen, ein großzügig subventioniertes Kulturangebot und öffentlicher Nahverkehr – all das ermöglicht es einkommensschwachen Menschen in einer Gesellschaft integriert zu bleiben«, so Pfeiffer.

In diesem Sinne meinte auch Reiner Prölß von der Stadt Nürnberg: »Wir können in der Kommune vor allem Armutsfolgen bekämpfen«. Die Ursachen jedoch seien fast ausschließlich auf Bundes- und Landesebene steuerbar bzw. durch die Gesetzgebung zu beeinflussen. Prölß verwies auf das Bemühen der Stadt, arme Nürnbergerinnen und Nürnberger bestmöglich zu beteiligen und nannte als Beispiel den »Nürnberg-Pass«. Auch das Bildungs- und Teilhabepaket werde im deutschen Großstadtvergleich nirgendwo so intensiv genutzt wie in Nürnberg. Prölß appellierte aber auch, dass Teilhabe und Armutsbekämpfung nicht nur politische Aufgabe sei, sondern zivilgesellschaftlich Engagierte brauche. Damit stieß er auf Zustimmung in Publikum und Podium. Ähnlich die Bilanz von Prof. Dr. Pfeiffer: »Unser gesellschaftlicher Zusammenhalt fängt bei den Schwächsten an.«

 

Der Sozialpolitische Buß- und Bettag in Nürnberg ist eine gemeinsame Veranstaltung gewerkschaftlicher und kirchlicher Institutionen. Wie in Nürnberg finden an diesem Tag in ganz Bayern vergleichbare Gottesdienste und Podiumsveranstaltungen statt.

 

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg