Zum WHO-Welttag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober: Marianne-Leipziger-Haus feiert 40. Jubiläum

Mit nur fünf psychisch erkrankten Bewohner/innen nahm das Marianne-Leipziger-Haus, kurz MaLei, im Oktober 1978 seine Arbeit auf. Heute leben in der Rehabilitationseinrichtung bis zu 26 Menschen, um psychische Krisenzeiten zu bewältigen und ihre Selbstständigkeit neu aufzubauen. Auch Christine Brock gelang hier ein Neuanfang.

»Bis zu meinem Zusammenbruch 2009 war ich mir überhaupt nicht bewusst, dass ich Hilfe brauche, geschweige denn, dass ich eine psychische Krankheit vermutet hätte.« Für Christine Brock gibt es seither ein Leben vor und ein Leben nach diesem Zusammenbruch. Dazwischen liegt ihre Zeit im Marianne-Leipziger-Haus, in der sie ihr Leben umgekrempelt hat:


Rehabilitation als Neuanfang

Mit ihrem Einzug im Marianne-Leipziger-Haus hat die heute 40-Jährige ihren Heimatort für immer verlassen. Für sie war es eine Befreiung aus der beklemmenden Enge ihrer dortigen Lebens- und Familiengemeinschaft. Die Beziehungen zu alten Bekannten und Nachbarn brach sie ab. Ihren Beruf als Kindergartenleitung gab sie auf. Auch ihr Verhältnis zu Mutter und Geschwistern ist heute ein anderes als damals.

Der Neuanfang gelang Christine Brock vor allem, weil sie im Marianne-Leipziger-Haus Raum und Gelegenheit fand, ihr Leben neu zu sortieren. Nach Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und schweren Depressionen zog sie 2011 im MaLei ein. »Ich wusste damals, ich brauche Abstand von der Familie, aber auch, dass ich es alleine in einer Wohnung noch nicht schaffe.« Für das MaLei habe sie sich damals vor allem aus Intuition entschieden. »Im Rückblick weiß ich, dass das die richtige Entscheidung war.«

Heute lebt Christine Brock in einer eigenen kleinen Wohnung mitten in Nürnberg. Bei der Stadtmission ließ sie sich 2015/16 zur EX-IN-Beraterin weiterbilden. Als Selbstbetroffene kann sie mit dieser Ausbildung jetzt selbst in der Psychisch-Kranken-Hilfe arbeiten. Die 40-Jährige wirkt lebensfreudig und spricht bewusst über ihre Gefühle: »Im MaLei habe ich gelernt, wieder Vertrauen in mich zu entwickeln, weil hier andere an mich geglaubt haben. Das war für mich etwas Riesengroßes.«


»Wir verstehen uns im MaLei als Findungseinrichtung«

Insgesamt 26 Frauen und Männer leben für Übergangszeiten von bis zu zwei Jahren im Marianne-Leipziger-Haus, um sich zu rehabilitieren. In der Regel leiden sie an Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und affektiven Störungen wie Depressionen und Manien – mitunter auch gepaart mit Suchtproblemen. Die jüngsten Klient/Innen sind 18 Jahre alt, der Altersdurchschnitt liegt bei 26 Jahren.

Die psychologischen und sozialpädagogischen Fachkräfte begleiten die Bewohner/innen bei ihrem Übergang in einen selbstständigen Alltag. Einrichtungsleiter Martin Kunz: »Unsere Arbeit ist immer ein Balanceakt: Wir suchen das richtige Maß an Selbstständigkeit und einer für den Einzelnen passenden Anbindung an Menschen und äußere Strukturen.« Nach langen, krankheits- und suchtbedingten Krisenzeiten wie auch Klinikaufenthalten kämen viele neue Bewohner/innen aus der totalen Strukturlosigkeit ins MaLei, erklärt er. »Wir verstehen uns als Findungseinrichtung«. Sich selbst versorgen, den eigenen Haushalt führen, einer Arbeit nachgehen – das seien lebenspraktische Fähigkeiten, die die Rehabilitanden hier trainierten oder neu erlernten. »Mindestens genauso wichtig ist es uns, dass die Männer und Frauen sich selbst wahrnehmen und schätzen lernen. Dass sie sich klar werden, wo sie mit ihrem Leben grundsätzlich hinwollen, welche Beziehungen zu anderen für sie wichtig sind.« Diese soziale Stabilisierung von Klientinnen und Klienten ist ein Schwerpunkt des Marianne-Leipziger-Hauses. Bayernweit gibt es nur eine Hand voll weiterer Häuser mit vergleichbarem Profil. Bei vielen anderen Einrichtungen stehe  eher die berufliche Rehabilitation im Mittelpunkt, sagt Kunz.


»Heute genieße ich mein Leben«

Auch Christine Brock nutzte die einzel- und gruppentherapeutischen Angebote im Marianne-Leipziger-Haus, besuchte Freizeitgruppen, half als Hauswirtschafterin im Haus mit. Die Fachkräfte im MaLei erkannten dabei frühzeitig, dass nicht verpflichtende Strukturen, sondern Freiheit das waren, was Christine Brock jahrzehntelang fehlte. Einrichtungsleiter Martin Kunz: »Viele gewöhnen sich in unserer Therapeutischen Werkstatt erst wieder an das Arbeitsleben. Frau Brock hat eher wahrzunehmen gelernt, was sie jenseits des Leistens und Funktionierens ausmacht.«

Nach ihrem Auszug aus dem Marianne-Leipziger-Haus 2013 ließ sich Christine Brock noch bis 2016 ambulant von der Stadtmission betreuen. Ihre anfängliche Angst, allein in einer Wohnung zu leben, hat sie lange überwunden. »Es ist fantastisch mein eigener Herr zu sein. Ich genieße es, mir etwas Neues aufzubauen.«


Infos für Interessenten

Betroffene, die an einer Aufnahme im Marianne-Leipziger-Haus interessiert sind, können immer freitags ab 10.00 Uhr ohne Voranmeldung zum persönlichen Infogespräch ins Haus kommen. Auch per Email und Telefon erreichen sie das Marianne-Leipziger-Haus jederzeit.

Marianne-Leipziger-Haus
Bucher Straße 56
90408 Nürnberg
T. (0911) 936334-11

Martin.kunz@stadtmission-nuernberg.de

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg