2024 hat der Nürnberger Integrationsrat die Stadtteilmütter der Stadtmission mit dem 2. Interkulturellen Preis ausgezeichnet. Er schenkt den Ehrenamtlichen damit verdiente Anerkennung.
»Wir sind wichtig«

NASRIN
spricht mit den Familien immer in deren Muttersprache. So entsteht Vertrauen und ein Miteinander auf Augenhöhe.
Eine von ihnen ist Nasrin. In der Rente habe sie sich gefühlt, als ginge die Welt unter – bis sie zum Ehrenamt kam. Die Iranerin sagt über sich, sie sei ein »Hilfs-Mensch«. Seit fünf Jahren ist sie nun Stadtteilmutter. Für die beiden Familien, die sie derzeit betreut, ist sie wie »die Mama beziehungsweise Oma«. »Ich bin eine gute Beobachterin und mache mir viele Gedanken darüber, wie ich helfen kann«, erzählt Nasrin. Auch sie bringt viel Erfahrung darin mit, wie es ist, neu in einem Land zu sein. 1985 kam sie mit zwei kleinen Kindern nach Deutschland. Das Wichtigste sei aber, zuzuhören und Ruhe auszustrahlen. Was die Erziehung angehe, genüge es oft, ein gutes Vorbild zu sein.
19 aktive Ehrenamtliche aus neun Nationen engagieren sich derzeit als Stadtteilmütter bei der Stadtmission. Das Projekt wurde 2010 ins Leben gerufen und ist inzwischen preisgekrönt. Nach dem Frauenpreis im Jahr 2020 erhielten die Stadtteilmütter 2024 den 2. Interkulturellen Preis des Nürnberger Integrationsrats. »Das ist eine wichtige Anerkennung«, betont Projektleiterin Franziska Delp, denn »die Stadtteilmütter leisten eine anspruchsvolle Arbeit, die auch viel Zeit erfordert«. Gemeinsam verfügen die Ehrenamtlichen über einen Schatz von 14 verschiedenen Sprachen. Sie unterstützen zugewanderte Familien dabei, sich in ihrem neuen Alltag zurechtzufinden.
Bis heute konnte bereits 169 Familien bei ihrer Integration in Nürnberg geholfen werden. Ehrenamtlich wurden insgesamt 15.256 Stunden geleistet. Auf ganz vielfältige Weise: von Behördengängen über Arztbesuche und Familienausflüge bis hin zur Erziehungsberatung. Natürlich werden neue Anwärterinnen für das Ehrenamt erst einmal gründlich geschult, später treffen sich Franziska Delp und die Stadtteilmütter einmal im Monat zum Austausch.
— Nasrin, Ehrenamtliche StadtteilmutterIch lerne von den Familien und sie lernen von mir.
Nasrin unterstützt eine Familie mit zwei Kindern. »Mir war aufgefallen, dass das große Kind wie in seiner eigenen Welt lebte«, erinnert sich Nasrin. Sie ermutigte die Familie, ihr Kind untersuchen zu lassen und sich passende Hilfe zu holen. »Ich glaube, die Eltern hatten Angst, dass ihr Kind ›verrückt‹ ist und man es ihnen wegnehmen würde.« Als die Diagnose Autismus feststand, konnte ein Therapieplatz gefunden werden. Auch Nasrin lieh sich Bücher aus und las sich ein, um der Familie bestmöglich zur Seite zu stehen. »Wir können inzwischen richtig gut zusammen spielen«, freut sich Nasrin. »Ich lerne von den Familien und sie lernen von mir, das geht in beide Richtungen.«
Das Beispiel zeigt, wie wichtig aufmerksame Alltagsbegleiterinnen sind. Denn das deutsche System ist für die Familien natürlich neu und oft ganz anders als in den Heimatländern. Es komme außerdem nicht selten vor, dass sie hier zunächst in Unterkünften untergebracht seien und erst nach mehreren Jahren das »normale« Familienleben beginne. »Die Stadtteilmütter helfen ihnen dann dabei, selbstständig zurechtzukommen und auf eigenen Füßen zu stehen«, erklärt Franziska Delp.
Zum Beispiel begleiten sie Termine beim Jobcenter oder helfen bei Anträgen fürs Kindergeld. Häufig gehe es um Fragen zu Behörden, Kinderbetreuung, Sprache oder Geld. Fertig sei eine Familie in der Entwicklung nie – so oder so, mit oder ohne Migrationshintergrund. Aber die Begleitung müsse natürlich irgendwann enden. »In der Regel ist das nach einem halben bis ganzen Jahr der Fall.«
Nasrin möchte Stadtteilmutter bleiben, »so lange es geht«. Denn sie weiß: »Wir sind wichtig.«
Text: Anna Thiel


