NÜRNBERG. Nicole* (15) lebt erst seit Kurzem mit ihrer Mutter und ihrer vierjährigen Schwester in Nürnberg-Langwasser. 2018 hatten sich die Eltern getrennt, Mutter und Töchter zogen von Regensburg nach Mittelfranken. Nicole fiel dieser Umbruch nicht leicht – das machte sich auch in der Schule bemerkbar. »Ich hab erstmal gar nichts mehr gemacht und bin richtig abgesackt.« Nicoles Mutter wusste, dass sie ihrer Tochter unter die Arme greifen muss und recherchierte. Bei der Stadtmission Nürnberg fand sie so im Sommer 2018 die Schulförderkurse, die Nicole seither jede Woche besucht. Die Mutter ist zu Recht stolz auf die 15-Jähirge: »In Regensburg hat sie mit Müh und Not die 8. Klasse geschafft. Und jetzt? Vor ein paar Wochen hat sie ihr bestes Zwischenzeugnis seit Jahren bekommen!«
»Chancen für junge Menschen« arbeitet gegen soziale Benachteiligung an
Die Schulförderkurse gehören zu dem Programm »Chancen für junge Menschen«, das Kinder und Jugendliche aus finanziell und sozial benachteiligten Familien unterstützt. Zu den größtenteils kostenfreien oder sehr kostengünstigen Angeboten zählen Spiel- und Betreuungsstätten in Brennpunktvierteln, Patenprogramme, Intensivkurse zur Vorbereitung auf den Schulabschluss, Begleitung beim Berufsstart sowie vielfältige Nachmittags- und Ferienprogramme für Schüler*innen aller Altersklassen. Ob Lama-Wanderung, Theaterbesuch oder Bewerbungstraining – »Chancen für junge Menschen« geben Kindern aus ressourcenarmen Häusern »Futter für Körper, Geist und Seele«, erklärt Alexandra Frittrang, die den Fachbereich leitet. Frittrang und ihr 60-köpfiges Team machen ihre Arbeit mit Leidenschaft. »Wir haben es mit so vielen talentierten Jungen und Mädchen zu tun, die wegen ihrer Herkunft ständig auf Barrieren in unserem bayerischen Bildungssystem stoßen.« Sie nennt einige Beispiele: Menschen, die schlecht lesen können oder nur schwer Deutsch verstehen. Eltern, für die wechselnde, nie auskömmlich bezahlte Jobs Normalität sind. Familien, die sich mit ihren Rechtsansprüchen, Behörden und möglichen Hilfestellen nicht auskennen. Alleinerziehende, denen ihre Allein-Verantwortung für Erziehung und Einkommen alle Kraft kostet: »Kinder aus diesen Hintergründen haben entweder Hilfe von außen oder müssen selbst unglaublich viel Kraft aufbringen, um sich voll entfalten zu können.«
Auch die 15-jährige Nicole ist extrem zielstrebig. Über ihren Alltag verliert sie meist nur wenige Worte – obwohl sie eine Menge bewältigt: Aktuell steckt sie mitten in den Vorbereitungen für ihren qualifizierenden Hauptschulabschluss. Neben dem regulären Unterricht, büffelt sie dafür jeden Freitag bei der Stadtmission drei Stunden lang den Prüfungsstoff für Mathe, Deutsch und Englisch. Nach der Schule holt sie oft ihre Schwester vom Kindergarten ab und kümmert sich um die Kleine, bis ihre Mutter von der Arbeit nach Hause kommt. Nicoles Mutter, die mit zwei Jobs das Familieneinkommen sicherstellt, weiß, was in ihr steckt und spornt ihre Älteste an. So hat Nicole als eine der ersten in ihrer Klasse auch schon ihren Ausbildungsvertrag in der Tasche. Sie wird Fachkraft für Lagerlogistik. »Das wollte ich unbedingt. Ich bin eher praktisch veranlagt. Eine Arbeit im Einzelhandel oder so, ständig unter Menschen, das wäre nichts für mich.«
»Kinderarmut hat sich manifestiert«
Seit 11 Jahren gibt es »Chancen für junge Menschen« bei der Stadtmission Nürnberg. Über 3.600 Kinder und Jugendliche haben seither von dieser Arbeit profitiert. »Wir freuen uns jedes Jahr über die Erfolgsgeschichten unserer Jugendlichen, gleichzeitig frustriert es aber auch, dass unsere Angebote immer noch so dringend gebraucht werden und wir eigentlich immer noch viel mehr tun könnten«, bilanziert Alexandra Frittrang. Das Problem der Kinderarmut habe sich im vermeintlich sozialen Wohlstandsstaat Deutschland manifestiert. Nürnberg zählt dabei zu den drei deutschen Großstädten mit der höchsten Armutsgefährdungsquote. Alleinerziehende und Familien mit mehr als drei Kindern betrifft das besonders stark. Für Frittrang ist das »eine Bankrotterklärung für unseren Sozialstaat« und gleichzeitig zukunftsblind. Sie appelliert an Politik ebenso wie an Unterstützer*innen und Spender*innen aus der Zivilgesellschaft. »Unsere Kinder sind eine schrumpfende, immer kostbarere Ressource. Wir können es uns alle nicht leisten, einen beträchtlichen Teil unserer jungen Menschen mit ihren Potentialen zu vernachlässigen.«
Spendenaufruf »Jungen Menschen Chancen geben« gestartet
So ruft die Stadtmission Nürnberg auch 2019 wieder Menschen aus der gesamten Region auf, für »Chancen für junge Menschen« zu spenden. Denn 1/5 der Angebote für benachteiligte Jugendliche und Kinder lebt ausschließlich von Spenden. Das sind fast 200.000 EUR pro Jahr. »Wir sind für jeden Euro und jede Stunde ehrenamtlicher Hilfe dankbar, die wir von Nürnbergerinnen und Nürnbergern erhalten«, sagt Frittrang.
Selbst wenn Nicole mit Hilfe der Schulförderkurse ihren qualifizierenden Hauptschulabschluss wohl bald in der Tasche hat, kann sie sich auch künftig Hilfe bei der Stadtmission holen. Nämlich dann, wenn sie vor ihren ersten Berufsschulprüfungen steht. Haupt- und ehrenamtliche Pädagogen*innen von »Chancen für junge Menschen« werden ihr auch dann zur Seite stehen.
Spendenkonto:
Stadtmission Nürnberg e.V.
IBAN: DE71 5206 0410 1002 5075 01
BIC: GENODEF1EK1
Evangelische Bank eG
Stichwort: Chancen
Wenn Sie Fragen zum aktuellen Spendenaufruf oder rund um das Thema »Spenden« haben: Jochen Nußbaum, Leiter unserer Spenderbetreuung steht Ihnen gerne zur Verfügung.
Weitere Informationen finden Sie im aktuellen Spendenfaltblatt Jungen Menschen Chancen geben.
*Name geändert