40 Jahre HIV-Bekämpfung: »HIV ist heute kein medizinisches, sondern ein soziales Problem«

Zum diesjährigen Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember appellieren die regionalen HIV-Fachstellen: Die Bekämpfung des HI-Virus und der daraus folgenden Diskriminierung von Menschen braucht Ausdauer und Entschlossenheit.

 

Die Gesichter der regionalen HIV-Fachstellen: Dr. Norbert Kellermann vom Nürnberger Gesundheitsamt, Sarah Armbrecht von der AIDS-Beratung Mittelfranken und Manfred Schmidt von der AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth.

Die Gesichter der regionalen HIV-Fachstellen: (v.l.) Dr. Norbert Kellermann vom Nürnberger Gesundheitsamt, Sarah Armbrecht von der AIDS-Beratung Mittelfranken und Manfred Schmidt von der AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth.

NÜRNBERG. Laut den Zahlen des Robert-Koch-Institutes sind die HIV-Infektionszahlen 2020 deutlich zurückgegangen. »Ein erfreulicher Trend«, meint Sarah Armbrecht von der AIDS-Beratung Mittelfranken und blickt doch mit Skepsis auf die Statistik: »Nahezu das ganze Berichtsjahr 2020 war die zentrale Infrastruktur der Öffentlichen Gesundheitsdienste lahmgelegt. Das Testaufkommen 2020 war viel zu niedrig, um das tatsächliche Infektionsgeschehen abbilden zu können.« So habe beispielsweise auch das Gesundheitsamt Nürnberg überhaupt erst seit August 2021 coronabedingt wieder regulär Testung und Beratung anbieten können.

Dabei seien gerade flächendeckende und barrierefreie Testangebote ein Schlüssel zur Begrenzung der HIV-Verbreitung. »Da gilt das gleiches Prinzip, das wir auch jetzt in der Corona-Pandemie erleben.« So habe man im letzten Jahr gelernt, wie wichtig »belastbare Strukturen für den Bereich der sexuellen Gesundheit« seien, die möglichen neuen Pandemien oder Infektionswellen Stand halten.

HIV-Arbeit im Spannungsfeld

Manfred Schmidt, Fachvorstand der AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth, verweist anlässlich des Welt-AIDS-Tages auf das »ständige Spannungsfeld«, in dem HIV-Präventionsstellen agierten: »Wir müssen widersprüchliche Botschaften senden: Einerseits: Es gibt hervorragende Medikamente, die ein normales Leben mit HIV ermöglichen. Damit kann man ganz normal arbeiten, Kinder kriegen, Hochleistungssport betreiben und so weiter. Das sind Botschaften, mit denen wir Menschen Mut machen, sich zu testen, sich einer möglichen Diagnose zu stellen. Andererseits sagen wir aber auch: Wir haben jedes Jahr mehr Klienten in Beratung, denen es nicht gut geht. Sie haben psychische und soziale Probleme, sie sind Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt.« Kurzum: »HIV ist medizinisch hervorragend behandelbar. Und doch bleibt es eine schlimme, besondere Krankheit, wegen des Stigmas, das ihr nach wie vor anhaftet.«

Über HIV reden wie über Diabetes

Kontinuierliche Anti-Diskriminierungsarbeit hält auch Sarah Armbrecht, Leiterin der AIDS-Beratung Mittelfranken, für elementar wichtig. »Wer keine Angst vor Ausgrenzung aufgrund einer HIV-Diagnose haben muss, lässt sich nach Risikosituationen auch eher testen.« Wenn Menschen irgendwann einmal am Kaffeetisch über ihre HIV-Infektion reden könnten, wie über eine Diabetes- oder Herz-Erkrankung, sei viel geschafft. Bis dahin sei gesellschaftlich aber noch ein langer Weg zu gehen.

Gottesdienst zum Welt-AIDS-Tag

So steht der diesjährige Nürnberger Gottesdienstes zum Welt-AIDS-Tag unter dem Motto »Freiheit«. Die Themenwahl basiert auf den Stimmen vieler HIV-positiver Menschen, die in der AIDS-Beratung der Stadtmission Nürnberg begleitet werden. Freiheit von Diskriminierung, Freiheit von Schuldzuweisungen, Freiheit, am öffentlichen Leben wie alle anderen Menschen teilzuhaben - das wünschen sich die Betroffenen, erzählt Sarah Armbrecht. Der Gottesdienst, der von der Stadtmission ausgerichtet wird, findet am 1. Dezember um 18.00 Uhr in der Nürnberger Jakobskirche statt.

 

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg