Herr Bammessel, als Sie 2022 als Diakonie-Präsident in den Ruhestand gegangen sind, haben Sie gesagt, dass Sie sich aus den meisten Gremien zurückziehen wollen. Jetzt engagieren Sie sich dankenswerterweise für unsere Stiftung »Hilfe im Leben«. Wurde Ihnen langweilig?
Michael Bammessel: Nein, beschäftigungslos fühle ich mich ganz und gar nicht (lacht). Ich habe gut zu tun – unter anderem, weil ich seit zwei Jahren Großvater bin. Aber zur Stadtmission habe ich eine jahrzehntelange Verbundenheit. Die Stadtmission macht auf so vielen Feldern so hervorragende Arbeit, deshalb war sie mir immer nahe. Als die Anfrage kam, konnte ich einfach nicht Nein sagen (lacht).
Schon seit 2007 finanzieren Stifter*innen durch ihre Einlagen bei der Stiftung »Hilfe im Leben« diese Arbeit mit. Über 180.000 Euro wurden bereits an Projekte der Stadtmission ausgeschüttet. Haben Sie ein Herzensprojekt?
Michael Bammessel: Die Regelfinanzierung diakonischer Arbeit ist immer auf Kante genäht. Man kann froh sein, wenn man nicht mit einem Defizit rausgeht. Das betrifft auch die Kinder- und Jugendhilfe. Diese ist mir sehr, sehr wichtig. Aber auch in der Altenpflege reicht das, was durch die Pflegesätze finanziert wird, bestenfalls gerade so aus. Auch in diesem Bereich ist es hilfreich, wenn wir – auch im Sinne des christlichen, diakonischen Mehrwerts, den diakonische Einrichtungen bieten – einen etwas größeren finanziellen Spielraum haben.
Die Kassen der Kostenträger, die unsere Angebote für Menschen, die Unterstützung brauchen, mitfinanzieren, sind alles andere als üppig gefüllt. Wird eine Stiftung wie die unsere vor diesem Hintergrund immer wichtiger?
Michael Bammessel: Es kann nicht Aufgabe der Stifter sein, das auszugleichen, wo sich die eigentlich verantwortlichen Förderer zurückziehen wollen. Immer dann, wenn sich die öffentliche Hand diskret zurückhält, setzt man allzu rasch auf Ehrenamt oder Sponsoring. Dass wir zum Beispiel die »Tafeln« brauchen, ist ein Armutszeugnis. Stifter sollen nicht Lücken füllen, für die andere zuständig wären. Was Stifter geben, muss das Extra sein: das Extra an Menschlichkeit, das Extra an Seelsorge, das Extra an christlicher Zuwendung.
Sie kennen Nürnberg aus dem Effeff – als Pfarrer, ehemaliger Stadtdekan und früherer Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtmission. Nürnberg hat schon immer eine vergleichsweise hohe Armuts(gefährdungs)quote. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Michael Bammessel: Ich habe den Eindruck, dass es im Stadtrat immer noch einen guten Konsens für den sozialen Auftrag gibt, den die Stadt hat. Es gibt in der Stadt auch immer noch viele Menschen, die sich ehrenamtlich oder finanziell engagieren. Das stimmt mich eher zuversichtlich. Aber Nürnberg ist natürlich trotzdem Teil des gesamtgesellschaftlichen Trends – und hier verschiebt sich die Gesamtstimmung. Wir bewegen uns bei der sozialen Solidarität eher rückwärts. Ich würde mir wünschen, dass Politiker Haltung zeigen und für ihre Linie offensiv eintreten – auch wenn diese gerade nicht populär ist. Da fehlen mir manchmal das Rückgrat und die Bereitschaft, gegen den Strom zu schwimmen.
Woran machen Sie das konkret fest?
Michael Bammessel: Bei der Migrationspolitik hat sich der Wind komplett gedreht: Unsere Probleme haben Vorrang, und die Probleme, die Menschen in anderen Ländern haben, interessieren uns nicht mehr. Das macht mir Sorge, denn wir sind im Vergleich zu anderen Ländern immer noch privilegiert. Ich denke auch, dass die Erhöhung des Bürgergelds mindestens angemessen war – jetzt wird diese Erhöhung wieder infrage gestellt.
Sie haben gesagt, dass es in unserer Stadt noch eine große Bereitschaft gibt, sich auch privat finanziell zu engagieren. Wie kann man bei unserer Stiftung »Hilfe im Leben« mitmachen?
Michael Bammessel: Schon ab 5000 Euro kann man Stifter werden. Unsere Stiftung bietet die Möglichkeit, soziale Arbeit langfristig und nachhaltig zu fördern. Ab 10.000 Euro ist auch ein Stiftungsfonds möglich. Hier können Stifter einen konkreten Zweck festlegen und dem Stiftungsfonds sogar einen eigenen Namen geben. Die jetzigen Stifter*innen bei der Stiftung »Hilfe im Leben« der Stadtmission stammen zum Großteil aus der Mittelschicht – es ist bewundernswert, dass diese ihr Herz und ihr Geld für die Stadtmission und ihre Stiftung einsetzen. Jeder Stifter ist uns gleich lieb. Aber ich würde mir wünschen, dass auch noch mal ein richtig Vermögender kommt, der sagt: Ich beteilige mich an dieser Stiftung.
Diesen Appell geben wir gerne weiter. Und Sie als Vorsitzender des Stiftungsrates wachen dann darüber, dass der Stiftungsvorstand gut mit dem der Stiftung anvertrauten Geld umgeht?
Michael Bammessel: Ja, wir im Stiftungsrat bestimmen die Grundlinien, beschließen, welche Projekte durch die Erträge gefördert werden, und schauen, dass das Geld nachhaltig, zuverlässig und mit guter Rendite angelegt wird. Wir schauen, dass der Vorstand seine Arbeit gut macht.
Was treibt Sie eigentlich ganz persönlich an, sich immer weiter für andere einzusetzen?
Michael Bammessel: Das gehört einfach zu meinem Leben als Mensch, als Christ. Eine der bewegendsten Erfahrungen meines Lebens hatte ich, als ich mit meinem Theologie-Studium in Neuendettelsau angefangen habe. Da wurde ich im Rahmen des diakonischen Besuchsdienstes an eine alte Dame im Rollstuhl vermittelt, die mehrfach behindert war und kaum sprechen konnte. Sie war ein total fröhlicher Mensch – trotz allem – und konnte so viel geben. Ich habe sie wirklich bewundert.
Eine allerletzte Frage noch: Was macht denn der Ruheständler Michael Bammessel, wenn er sich nicht gerade sozial und für die Stiftung engagiert?
Michael Bammessel: Wir haben ein Enkelkind, deshalb bin ich einmal in der Woche als Babysitter im Einsatz. Außerdem engagiere ich mich für den Windsbacher Knabenchor, einer meiner Söhne war dort, deshalb unterstütze ich den Chor gern. Was ich sehr genieße: Ich kann mich viel öfter als früher mit Menschen, die mir lieb sind, zum Gespräch treffen. Gelegentlich halte ich als Pfarrer noch Gottesdienste. Außerdem bin ich Club-Fan, ich bin nicht bei jedem Heimspiel dabei, aber schon öfter im Stadion und verfolge mit Interesse, was der Club macht…
… und mit Leidensfähigkeit
Michael Bammessel: ja (lacht), wobei ich nicht zu denen gehöre, die immer gleich das Schimpfen anfangen. Wenn der Club in der 2. Liga spielt, dann ist das zwischendurch auch okay.