Herr Hesse, »IQ – Intelligentes Ingenieur Management« (IQ) ist ein national und international tätiges Nürnberger Unternehmen. Was genau bieten Sie an und wie ist Ihr Unternehmen aufgestellt?
Wir leisten klassische Ingenieurs- und Entwicklungsarbeit und Beratung. Grundsätzlich wickeln wir Projekte in den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik ab. Bei »IQ« arbeiten Ingenieure und Spezialisten unterschiedlicher Branchen. Unser Know-How bringen wir in Luft-, Raumfahrt- und Automobiltechnik, Verkehrs- und Energietechnik, sowie Automatisierungstechnik ein. In Deutschland haben wir drei Standorte Nürnberg, München und Stuttgart. Die Arbeitswelt ändert sich aber mehr und mehr in Richtung Homeoffice, daher werden wir zukünftig wohl eher von Nürnberg aus arbeiten für Projekte die bundesweit und auch weltweit angesiedelt sind.
Sie sind Gründer und Geschäftsführer von »IQ«. Wie fing das alles an und wie war Ihr beruflicher Weg?
Nach meiner Ausbildung zum Bankkaufmann ging ich als junger Mann erstmal in die USA nach New York City. Beim Spielwarenkonzern »Toys R US« machte ich ein Management Degree und habe dafür in New York und New Jersey gelebt. Dann hat mich mein Vater - ebenfalls Unternehmer aus Nürnberg - in eine seiner Firmen zurück nach Deutschland geholt. Damals arbeitete ich in der Zeitarbeit, war zuständig für die Siemens-Standorte in Erlangen und Nürnberg. Irgendwann, das muss 1992 gewesen sein, hatte ich drei Ingenieure übernommen und habe mich für sie ins Zeug gelegt. Das gab den Ausschlag: Ich hatte meine Liebe zum Engineering entdeckt. Seither hatte ich meinen Blick fest auf den Ingenieurs-Bereich gerichtet. Mein eigenes Unternehmen gründete ich am 28. November 1997.
Auch Ihr Vater hat sich in der Nürnberger Region als Unternehmer einen Namen gemacht. Hat Sie das in ihrem beruflichen Weg beeinflusst?
Ja klar, den Unternehmergeist habe ich von ihm. Ich stamme väterlicherseits aus einer alteingesessenen mittelfränkischen Unternehmerfamilie. Das waren alles selbstständige Leute, z.B. mit einem Paketdienst, der vor dem 2. Weltkrieg mit 180 Pferden ganz Mittelfranken belieferte. Ich wusste tatsächlich schon als Kind, dass ich etwas erreichen will. Das war einfach in mir, ich musste nicht darüber nachdenken. Und obwohl ich nie ein 1-er Schüler war, glaubte ich fest, dass ich etwas schaffen kann. Dieser Wille und diese Zuversicht waren grundlegend für meinen beruflichen Weg und mein heutiges Unternehmen. Zudem hatte mich mein Vater in Sachen Schule und Ausbildung gefördert und diente mir in vielen Dingen auch als Vorbild. Natürlich gehört auch die nötige Portion Glück dazu.
Wie können wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Strukturiert. Ich starte um 8 Uhr und habe dann oft durchgängig Termine. Mein Tag ist stark getaktet. In der Regel bin ich bis 19 oder 20 Uhr hier. Aber ich mache auch konsequent Feierabend. Ich habe zwei Töchter. Wenn meine Kinder bei mir sind, mache ich früher Schluss. Das Abendessen kocht immer noch der Papa.
Sie erlebten als Kind Heim- und Internatsaufenthalte: In welchen Heimen waren Sie - und wie lange?
Mit fünf Jahren kam ich erstmals in ein Heim, mit sechs Jahren in die Schule und wieder in ein Heim in Herzogenaurach, das Liebfrauenhaus. Später besuchte ich das Hermann-Lietz-Internat in Buchenau/Hessen und war dann bis zum 18. Lebensjahr im Regensburger PINDL-Internat, das ich aber eher als »Aufbewahrungsstation« in Erinnerung habe. Da gab es nur Schule und Hort, ansonsten war man alleine. Heute kann ich das PINDL-Internat nur empfehlen. Es hat sich komplett gewandelt, insbesondere das Gymnasium ist sensationell.
Wie erinnern Sie sich rückblickend an diese Zeit?
In den 1970er Jahren war das schlimm, körperliche Auseinandersetzungen und fragwürdige Erziehungsmethoden waren an der Tagesordnung. Ich erinnere mich noch an Stacheldraht und Glasscherben auf der Mauer, damit keiner abhaut. Das Schlimmste war für mich aber die Einsamkeit ohne Familie. Dabei ging es mir ja noch besser als anderen. Ich wusste, dass es zu Hause in Nürnberg Mutter und Vater gab, die mich liebten. Andere Heimkinder hatten niemanden und wuchsen gänzlich ohne ihre Eltern auf.
Haben Sie diese Zeiten geprägt?
Ja, bis heute. In Herzogenaurach war ich zum ersten Mal auf mich alleine gestellt. Natürlich hat mich mein Vater und meine Mutter besucht, aber die Eltern waren eben nicht zu jedem Zeitpunkt greifbar. Ich musste mich dem Heimalltag stellen und mich durchbeißen, die Situation aushalten. Schon in ganz jungen Jahren musste ich Entscheidungen für mich selbst treffen. Aus heutiger Sicht war genau das eine wichtige Prägung: Um ein Unternehmen zu führen, muss man Druck aushalten, Entscheidungen alleine treffen und für die Konsequenzen geradestehen. Auch als Geschäftsführer ist man oft alleine. Und noch etwas: Aufgrund der Schulwechsel war ich wie gesagt auch nicht der beste und bravste Schüler und vielleicht ein schwieriger »Rebell«. Aus diese Perspektive heraus kann ich heute Sichtweisen von Kindern nachvollziehen, die es schwer im Leben haben.
Ist das der Grund, warum Sie sich als Spender so stark machen?
Je jünger ein Mensch ist, umso stärker prägen ihn negative Eindrücke. Wenn es in der Familie nicht rund läuft, wenn es einem Kind an elterlicher Sorge, Geborgenheit und Verlässlichkeit mangelt, hat das Folgen. Solche Versäumnisse können später eine heftige negative Wirkung haben – für jedes einzelne Kind und für die Gesellschaft als Ganzes. Es kann doch nicht sein, dass ein Kind einen einzigen Jogginganzug besitzt und morgens keine frische Wäsche zum Anziehen hat, um nur ein kleines Beispiel zu nennen. Aber das habe ich selbst gesehen und solche Dinge gibt es ja so oft – auch im wohlhabenden Deutschland. Ich denke auch, dass von staatlicher Seite nicht genug für benachteiligte Kinder getan wird und öffentliche Gelder mitunter falsch eingesetzt werden. Ich halte das für einen echten gesellschaftlichen Makel. Solche Dinge sind für mich schwer zu ertragen. Jedes Kind hat einen Start in sein Leben verdient, um später auf eigenen Beinen stehen zu können und nicht auf Hartz IV angewiesen zu sein. Keiner muss dabei studieren, Geschäftsführer*in oder Vorstandsvorsitzende*r werden.
Warum helfen Sie im Schwerpunkt Kindern und jungen Menschen?
Ich denke, Erwachsene können mit Schicksalsschlägen anders umgehen als ein Kind, welches beispielsweise seine Eltern verliert oder keine Zuwendung bekommt. Wenn ein Kind schon in ganz jungen Jahren seelische Narben erleidet, behält es diese, kriegt sie vermutlich nicht mehr los. Bildlich gesprochen habe ich das Bedürfnis, Salbe auf solche Wunden zu legen. Es ist mir wichtig, dass man benachteiligte Kinder nicht einfach nur versorgt. Und so gut die Stadtmission dies auch leistet, möchte ich darüber hinaus noch etwas dazu geben.
Die Kinder des Martin-Luther-Hauses verdanken Ihnen Ausflüge in die Region, Laptops, Fahrräder und Roller, Sport-, Lern- und Spielmaterialien, Musikinstrumente und sogar Führerscheine sowie Auslandsurlaube. Schon im Jahr 2005 legten Sie persönlich Hand an das Fundament für den Wasserspielplatz auf dem Gelände des Martin-Luther-Hauses. Was treibt Sie an, den Kindern so unterschiedlich zu helfen?
Auch schöne Erlebnisse prägen. Fünf Kinder des Martin-Luther-Hauses fliegen in diesem Sommer nach Griechenland. Denken Sie an die vielen neuen Eindrücke: der Flug, ein fremdes Land, anderes Klima, neue Gerüche, zum ersten Mal das Meer sehen. Das geht aber auch kleiner: Es ist doch ein tolles Gefühl, wenn man z.B. ein paar neue Sportschuhe geschenkt bekommt. Ich glaube, dass solche Eindrücke den jungen Menschen einen neuen Blick verschaffen können, der sie motiviert und hilft, sich auf den Weg zu machen. Dabei ist mir wichtig, den Einzelfall zu betrachten und zu diskutieren. Ich halte Nachhilfeunterricht für sehr wichtig, um beispielsweise Deutschkenntnisse der Kinder zu fördern und in der Schule besser mitzukommen. Natürlich - das habe ich auch lernen müssen - hat das Grenzen. Dennoch glaube ich: Wir sollten Kinder im Rahmen ihrer Möglichkeiten dabei unterstützen, ihren Weg zu finden und zu gehen – so früh wie möglich und so gut das eben geht. Und im Einzelfall ist viel gewonnen, wenn der »Quali«-, M-Zug- oder Realschulabschluss möglich wird. Dabei möchte ich helfen.
Was möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben? Welchen Tipp haben Sie?
Das klingt ein wenig plakativ, aber ich möchte ihnen raten, an sich zu glauben und nicht aufzugeben.
Noch einmal zurück zu Ihnen: Haben Sie für sich selbst alles erreicht? Gibt es Ziele und Träume für das eigene Leben?
Ich habe materiell alles erreicht, was ich brauche und mir wünsche. Ich würde mich beispielsweise freuen, wenn ich irgendwann einen Menschen in seinen 30ern treffe, dem ich auf seinem Weg in ein gutes Leben ein Stück helfen konnte. Oder wenn ich ein Foto von Kindern betrachten kann, die zum ersten Mal Strand und Meer erleben durften. Solche Dinge erfüllen mich heute.
Welche drei Eigenschaften machen Sie aus?
Zielstrebigkeit - Fleiß - Unvernunft
Unvernunft? Wie meinen Sie das?
*Lacht* Schauen Sie sich hier um, ist das, was Sie sehen vernünftig? Wie soll ich das erklären: Als Christo den Reichstag verpackte war das nicht vernünftig, aber letztlich eine coole Sache. Ich habe tatsächlich viel Unvernünftiges in meinem Leben gemacht, bin aber mit den Ergebnissen doch sehr zufrieden. Immer nur vernünftig zu sein ist doch langweilig. Wenn eines Tages die letzte Seite im Buch des Lebens geschrieben wird, sollte man lesen können: »Ich habe nichts verpasst und unterm Strich war’s schön«. Das wünschen wir uns wohl alle.
Herr Hesse, wir bedanken uns für das Gespräch!
Text Stephan Grumbach; Foto Privat