»Zwergenaufstand« gegen Glücksspielsucht

Zum bundesweiten Aktionstag gegen Glücksspielsucht sorgte die Stadtmission mit kleinen Demonstranten für große Aufmerksamkeit.

Sechs Zwerge mit orangenen T-Shirts, blauen Hosen und Sonnenbrillen halten Demoschilder hoch. Passanten laufen vorbei.

»Mit kleinen Zwergen große Probleme deutlich machen« – so erklärte Thomas Bauer die »Aktion Zwergenaufstand«, die die Stadtmission Nürnberg am Mittwoch, 25. Oktober, in der Nürnberger Innenstadt auf die Beine stellte. Bauer ist Experte für Glücksspielsucht beim Suchthilfezentrum der Stadtmission. Zusammen mit Kollegin Anita Diesener organisierte er anlässlich des bundesweiten Aktionstages gegen Glücksspielsucht eine Demo mit 15 Zwergen. »Glücksspiel bringt Unglück« und »Wetten dass … Du verlierst« war etwa auf den kleinen Plakaten der Zwerge zu lesen. Die Nürnberger Demo reihte sich dabei in eine bayernweite Aktion der Landesstelle Glücksspielsucht (LSG) ein. In etwa 20 Städten organisierten Beratungsstellen einen Zwergenaufstand, um Passanten und Medien für das Thema zu sensibilisieren.

Glücksspielprobleme sind verbreitet

Rund 35.000 Menschen in Bayern sind glücksspielsüchtig. Fast noch einmal so viele zeigen ein problematisches Spielverhalten. Neben dem klassischem Lotto- oder Automatenspiel sind Sportwetten seit Jahren stark im Kommen. Durch attraktive Werbespots, Bannerwerbung bei großen Sportereignissen und prominenter Unterstützung werden wettfreudigen Sportfans die Tippspiele schmackhaft gemacht. »Sportwetten kommen seriös daher, können aber der erste Schritt in eine Suchtkarriere sein«, weiß Bauer. Der Reiz bestehe darin, dass Menschen glauben, ihre eigene Expertise aus der Sportwelt erhöhe ihre Gewinnchancen.

Dass dies oft nicht gelingt, bestätigte am Mittwoch auch ein Zuschauer der Zwergendemo. Er möchte anonym bleiben. »In meinem Freundeskreis zocken einige in Sportwetten. Die wissen vorher ‚ganz genau‘, wer gewinnt und wer nicht. Rückmeldungen gibt es immer nur, wenn einer gewonnen hat. Oft bleibt es still.« Er selbst spiele Lotto: »Einmal wöchentlich seit vielen Jahren. Das große Los war nie dabei. Rund ein Drittel meines Einsatzes bekomme ich durch Gewinne wieder«. Manchmal spiele er auch im Internet Lotto: »Das halte ich für gefährlicher, weil man sich am Bildschirm so schnell und elegant durchklickt. Die Hürde zu zocken ist niedriger.«

Onlinewetten und -glückspiele: Das Casino zuhause

Diesener und Bauer bestätigen, dass das Onlineglücksspiel ein sehr hohes Suchtpotential habe. Dies liege unter anderem an der schnellen Spielabfolge (»Ereignisfrequenz«), die die Spieler*innen triggerten und in eine Art Rausch brächten. Zudem sei die Einsatzhöhe beim Onlinespiel nicht begrenzt, das Geld werde direkt vom Konto geholt. Das schnelle Spiel, attraktive Licht- und Toneffekte und fingierte »Fast-Gewinne« machten die Onlinespiele ähnlich reizvoll wie Spielautomaten. »Dahinter stehen aber ausgefeilte Algorithmen und automatisierte Gewinnpläne der Anbieter, die die Spieler bei der Stange halten«, erklärt Anita Diesener vom Suchthilfezentrum.

In Bayern gibt es mehr als 1.100 Spielhallen mit über 21.000 Geräten. »Meist sind Männer von Glücksspielsucht betroffen und tendenziell Menschen mit erhöhter Risikobereitschaft offener für Glücksspiel«, erklärt Thomas Bauer. Den typischen Spielertyp gebe es jedoch nicht. Die Folgen langjähriger Glücksspielsucht ähneln sich: Heimlichkeiten und Lügen, nachhaltige Problemen in der Familie und am Arbeitsplatz, Vernachlässigung sozialer Kontakte, schlechtes Gewissen, Trennung vom Partner und hohe Schulden bis hin zum persönlichen Bankrott.

Spielsucht: Eine behandelbare Krankheit

Spielsüchtige schaffen den Absprung meist nicht selbst. Professionelle Hilfe kann aber viel bewirken: »Acht Jahre dauert eine Suchtkarriere im Schnitt, bis sich Betroffene Hilfe holen«, weiß Bauer aus seiner täglichen Arbeit. »Oft vergehen Jahre bis ein Mensch seine eigene Glücksspielsucht erkennt«. 150 Menschen beraten die Experten des Suchthilfezentrums der Stadtmission Nürnberg jährlich zu problematischem Glücksspiel oder bereits pathologischer Spielsucht. Und so war den Experten der Stadtmission beim Aktionstag auch eine positive Botschaft wichtig: »Glücksspielsucht ist eine Krankheit, die Menschen überwinden können. Einen Anfang können sie unter anderem mit uns im Suchthilfezentrum machen.«

Kontakt:

Suchthilfezentrum der Stadtmission Nürnberg
Christine-Kreller-Haus, Krellerstraße 3
90489 Nürnberg

 0911 376 54-200

  shz@stadtmission-nuernberg.de

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg