Offener Brief: Ausländerbehörde soll Ermessensspielräume zugunsten Geflüchteter nutzen

In den vergangenen Jahren hat sich die Nürnberger Ausländerbehörde durch ihre besonders restriktiven Entscheidungen hervorgetan. In zahlreichen Fällen schien ihr Umgang mit Schutzsuchenden vorwiegend von Misstrauen geprägt. Mit einer neuen Führung bietet sich auch die Chance, die Arbeit der kommunalen Behörde neu, heißt wohlwollender gegenüber den Asylsuchenden, auszurichten. Die Stadt des Friedens und der Menschenrechte habe dabei eine besondere Verantwortung, sagt ein lokales Bündnis aus Wohlfahrtsverbänden, Arbeitskreisen und Menschenrechtsorganisationen, zu dem auch die Stadtmission Nürnberg gehört. In einem offenen Brief fordern wir den Stadtrat auf, der Ausländerbehörde Nürnberg eine neue Orientierung zu geben.

Auch Corona hat Debatten um einen menschenfreundlichen Umgang mit Asylsuchenden auf verschiedenen Ebenen neu befeuert. Was muss sich in Nürnberg ändern? Eine Neuausrichtung der Ausländerbehörde sagen lokal engagierte Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen.

Betreff: Offener Brief an den Stadtrat bezüglich der Arbeitsweise der Ausländerbehörde Nürnberg

Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
wir, die Wohlfahrtsverbände, die freien Träger, Menschenrechtsorganisationen, Helferkreisinitiativen und der Arbeitskreis für unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Nürnberg und Umgebung bitten Sie, die anstehende Neuausrichtung in der Nürnberger Ausländerbehörde zu nutzen, um grundlegende Änderungen in deren Arbeit zu erreichen. Bisher war die Gangart der Ausländerbehörde Nürnberg bei vielen Entscheidungen sehr restriktiv und für die breite Masse der Menschen, die mit Geflüchteten undNeuzugewanderten haupt- oder ehrenamtlich arbeiten, nur schwer nachzuvollziehen. Diese Einschätzung beruht auf eigenen Erfahrungen mit der Ausländerbehörde und Erfahrungsberichten von direkt Betroffenen. Zudem gibt es zahlreiche besonders restriktive Entscheidungen der Nürnberger Ausländerbehörde, die erst durch gerichtliche oder politische Interventionen abgewandt werden konnten. Beispielhaft wollen wir einige der Probleme aufzählen:

  • Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird in Nürnberg massiv erschwert, vielfach gelingt es den Geflüchteten nicht, eine Arbeits oder Ausbildungserlaubnis zu erhalten, die ihnen eine Integration ermöglicht, obwohl ein konkretes Arbeits oder Ausbildungsplatzangebot vorliegt.
  • Geflüchtete sind verpflichtet, bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung mitzuwirken. Ob sie dieser Mitwirkungspflicht nachkommen, unterliegt der subjektiven Beurteilung der Ausländerbehörde. In Nürnberg wird einer unverhältnismäßig großen Zahl von Geflüchteten unterstellt, sie würden ihrer Mitwirkungs pflicht nicht nachkommen.
  • In mehreren Fällen hat sogar das Bayerische Innenministerium, das für seine rigide Auslegung der bundesgesetzlichen Vorgaben bekannt ist, Entscheidungen der Nürnberger Ausländerbehörde korrigiert und dafür gesorgt, dass die Geflüchteten nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben und nicht abgeschoben wurden.
  • Geflüchtete werden nicht dabei unterstützt, Aufenthaltserlaubnisse zu erlangen. Stattdessen entsteht im direkten Kontakt mit der Ausländerbehörde der Eindruck, dass Ermessensspielräume nicht kundenorientiert ausgelegt werden und dem Abschiebeinteresse Vorrang vor der Integration der Geflüchteten eingeräumt wird.
  • Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 in letzter Sekunde die Abschiebung eines Mannes gestoppt, dessen Partnerin und 2 Kinder in Fürth leben.

Wir bitten Sie, sich dafür einzusetzen, dass die Nürnberger Ausländerbehörde ihre Handlungs- und Ermessensspielräume zukünftig, grundsätzlich zugunsten der Betroffenen nutzt, natürlich unter Beachtung der geltenden Rechtslage und der Weisungen des BundesWeisungen des Bundes-- und des bayerischen Innenministeriumsund des bayerischen Innenministeriums..

Die Ausländerbehördesoll soll zukünftig Geflüchtete zu Aufenthaltsperspektiven besser informieren und beraterisch unterstützen.

Die Praxis der Erteilung von Arbeits und Ausbildungserlaubnissen soll so gestaltet werden, dass Geflüchtete unkompliziert und unbürokratisch Arbeit und Ausbildung beginnen und damit selbst einen großen Beitrag zu ihrer Integration leisten können. Die Ausländerbehörde soll bei der Beurteilung, ob Geflüchtete ihre Mitwirkungspflichten erfüllen, wohlwollender und vor allem realistischer vorgehen. Darüber hinaus ist es uns wichtig, dass die Nürnberger Ausländerbehörde einen kundenorientierten und menschlichen Umgang mit Geflüchteten pflegt. Wir regen an, dass Sie als Nürnberger Stadträtinnen und räte mit einem Stadtratsbeschluss der Ausländerbehörde eine entsprechende Richtlinie an die Hand geben, wie Sie sich deren Arbeit in der Stadt des Friedens und der Mensc henrechte wünschen. Orientierung könnten dabei folgende Beschlüsse bieten:

»Die Ausländerstelle wird beauftragt, ihre ausländerrechtlichen Handlungs und Ermessensspielräume grundsätzlich soweit als möglich zugunsten der Betroffenen zu nutzen und ein service- und kundenorientiertes Handeln im Alltag sicherzustellen (Stadt Erlangen, 28.02.2013)

»Der Stadtrat der Stadt Fürth spricht sich dafür aus, während des Schulbesuchs oder Ausbildung keine Abschiebungen durchzuführen.« (Stadt Fürth, 24.01.2018)

Abschließend bitten wir Sie, die vakante Leitung der Ausländerbehörde mit einer Person zu besetzen, die eine solche menschenrechtlich orientierte Neuausrichtung der Ausländerbehörde mit Leben füllen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Arbeitskreis unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Nürnberg und Umgebung, Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen

 

Originalbrief als PDF mit allen unterzeichnenden Organisationen

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg